Kasuistik: Patient mit angeborenen Aortenklappenfehler, ICD und überlebten Sekundenherztod
Ein 66 Jahre alter und kardial völlig beschwerdefreier Patient stellt sich bei uns in der Praxis vor, nachdem es am frühen Morgen gegen 4 Uhr zu einer ICD-Schockauslösung gekommen war. Noch in der Wartezone gab der ICD (Implantierbarer Carioverter-Defibrillator) einen Signalton ab, der den schwachen Ladezustand der Batterie anzeigte (Restlaufzeit < 3 Monate).
Zunächst zur Vorgeschichte: Seit 12 Jahren war ein Linksschenkelblock bekannt. Vor 9 Jahren erlitt der Patient einen Sekundenherztod morgens gegen 4.30 Uhr zuhause im Bett. Die Ehefrau wurde durch Schnappatmung darauf aufmerksam und führte zusammen mit dem Sohn „beherzt“ eine Wiederbelebung durch, bis der Notarzt eintraf, Kammerflimmern feststellte und letztlich eine erfolgreiche Defibrillation (14 Defibrillationen während protrahierter Reanimation über 1 1/4 Stunden) durchführte. Im Krankenhaus konnte eine Herzvergrößerung mit eingeschränkter Ejektionsfraktion von 33 % und eine mittelgradige Aortenklappeninsuffizienz festgestellt werden. Eine koronare Herzerkrankung wurde invasiv ausgeschlossen und eine Dilatative Kardiomyopathie diagnostiziert. Es wurde eine ICD Implantation durchgeführt.
Die 9 Jahre später in unserer Praxis durchgeführte AICD-Abfrage zeigte eine adäquate Schockabgabe frühmorgens des selben Tages um 4.07 Uhr.
Genau 2,75 Sekunden nach dem Auftreten von Kammerflimmern, ausgelöst durch eine früh einfallende ventrikuläre Extrasystole bei einer Herzfrequenz von 69/min. wurde vom ICD Kammerflattern mit einer Frequenz von 250/min detektiert (mittleres RR-Intervall 240 mSek.) und der Kondensator aufgeladen. Die Schockabgabe mit 36 Joule erfolgte 17,6 Sekunden später. Nach sieben passageren VVI-Schrittmacherstimulationen mit einer Frequenz von 70/min. (Stimulationsintervall 855 mSek.) kam es zu einem normfrequenten Sinusrhythmus (siehe Abbildung: Rückkehr zu Sinus). Weil die Ehefrau des Patienten genau wie vor 9 Jahren durch die Schnappatmung des Patienten wach bzw. aufmerksam wurde und den Patienten mit beiden Armen versuchte wachzurütteln, wurde ein Teil des Entladungsstroms des ICD an die Ehefrau abgegeben, was ihr aber nicht geschadet hat.
Die weiteren Untersuchungen in unserer Praxis zeigten wie vor 9 Jahren vorbeschrieben eine Herzvergrößerung mit mittelgradiger Aortenklappeninsuffizienz, enddiastolisches Volumen der linken Herzkammer 406 ml, das endsystolische Volumen berechnete sich mit 272 ml und das Schlagvolumen mit 134 ml, Ejektionsfraktion EF 33% (szintigraphisch ermittelt). Der hieraus errechnete Rückfluss an der Aortenklappe (sog. Aortenklappenregurgitation) berechnet sich mit 40 bis max. 45 %. Echokadiographisch zeigte sich eine mittel- bis hochgradige Aortenklappeninsuffizienz durch einen am ehesten angeborenen Prolaps der rechtskoronaren Tasche.
Diagnose: Cor Bovinum („Ochsenherz“) mit guter linksventrikulärer Funktion bei Aortenklappeninsuffizienz Schweregrad III mit 40 bis 45% Regurgitationsvolumen durch kongenitalen Prolaps der rechtskoronaren Aortenklappentasche, Linksschenkelblock und Zustand nach zweimaligen Kammerflimmern im Abstand von 9 Jahren.
Mittels Spiroergometrie konnten wir auf dem Fahrradergometer eine hochnormale max. Sauerstoffaufnahme von 123% der Norm nachweisen (31,2 mg/min/kg KG), weshalb wir dem Patienten von einem prothetischen Aortenklappenersatz abgeraten haben. Der Patient ist jetzt nach mehr als vier Jahren nach dem 2. Herztodereignis noch immer beschwerdefrei und hat unverändert eine hochnormale maximale O2-Aufnahme in der Spiroergometrie. Der ICD wurde kurz nach nach der ICD-Schockabgabe leitliniengerecht wegen Batterieerschöpfung gegen ein modernes DDD/ICD-CRT System ausgetauscht, einem 3-Kammer-Schrittmachersystem mit Stimulation der rechten und linken Herzkammern zur Optimierung der Herzleistung bei Patienten mit Linksschenkelblock und reduzierter Ejektionsfraktion.
JPO